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Die Ursachen von Übergewicht
"Dick ist, wer zuviel ißt".
Diese sehr populäre Meinung über die Entstehung von Übergewicht
stimmt stimmt zwar auf der einen Seite, andererseits ist sie aber sehr pauschal
und daher sollten im folgenden verschiedene Aspekte, wie es unter bestimmten Umständen
zu Übergewicht kommen kann, erläutert werden:
Anmerkung: |
Auf dieser Seite werden folgende
Abkürzungen verwendet: -
kcal = Kilokalorie
-
kJ = Kilojoule
(1 kcal = 4,2 kJ) -
g = Gramm
( kcal bzw. kJ stehen für die Maßeinheit der Energiemessung) Der Energiehaushalt
des Körpers |
Der
Energiehaushalt des Körpers An
Hand des Mechanismus, wie der Körper die mit der Nahrung zugeführten
Kalorien verwertet, lassen sich einerseits die Entstehung von Übergewicht
und andererseits die häufigen Mißerfolgen von Diäten erklären.
Der Energieverbrauch des Körpers wird durch 3 Faktoren bestimmt:
1.
Grundumsatz: | Der
Grundumsatz ist die Energie, die zum Aufrechterhalten aller Körperfunktionen
in Ruhe benötigt wird. Er macht 50-70 % des gesamten Energieverbrauchs aus.
So hat beispielsweise eine 25-jährige Frau mit 60 kg Körpergewicht einen
Grundumsatz von ca. 1450 kcal/Tag. Die Höhe des Grundumsatzes hängt
in erster Linie von der Muskelmasse ab, da die Muskulatur das größte
Körperorgan ist und dort der Löwenanteil der Energie verbrannt wird
(9).
Der Grundumsatzes eines Menschen nimmt mit dem Älterwerden ab. Ein Grund
dafür ist der Rückgang der Muskelmasse, aber auch viele Stoffwechselvorgänge
laufen mit zunehmenden Alter 'langsamer' ab und verbrauchen somit weniger Energie.
Geht man weiterhin noch davon aus, daß sich Menschen mit dem Älterwerden
meist auch weniger bewegen, nimmt auch der bewegungsabhängige Energieverbrauch
ab, so daß hier eine Erklärung für eine altersbedingte Gewichtszunahme
zu sehen ist, obwohl man nicht mehr ißt als früher. Die nachfolgende
Grafik zeigt wie der Energieverbrauch eines Menschen bis zum Erreichen der vollen
Körpergröße zuerst zunimmt und danach kontinuierlich abnimmt.
| 
| (nach
DGE " Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr" 5. Überarbeitung 1991;
Frankfurt/Main: Umschau Verlag, S.22) |
*1: die empfohlene Energiezufuhr bzw. die Angaben des Energieverbrauchs sind stark
verallgemeinert und orientieren sich an Personen mit durchschnittlicher Größe
und Gewicht *2: die Werte gelten für Personen mit vorwiegender sitzender
Tätigkeit (Leichtarbeiter). Für andere Berufsschweregruppen sind folgende
Zuschläge erforderlich: Mittelschwerarbeiter: 600 kcal.; Schwerarbeiter:
1200 kcal.; Schwerstarbeiter: 1600 kcal.(6.)
| 2.Nahrungsabhängiger
Verbrauch | Mit
diesem Verbrauch wird die Energie bezeichnet, die der Körper aufwenden muß,
um die aufgenommene Nahrung zu verwerten. Diese Komponente macht etwa 6-10 % des
gesamten Energieaufwandes aus. Im Gegensatz zu der Verwertung von Kohlenhydraten,
wo der Körper relativ viel Energie aufwenden muß, werden aufgenommene
Nahrungsfette vom Organismus mühelos in Körperfett umgewandelt, was
wiederum die Problematik einer fettreichen Ernährung unterstreicht. |
3.Arbeitsmsatz: | Der
Arbeitsumsatz ist jene Energie, die wir für Bewegung aufwenden. Durch sportliche
Aktivität kann der Arbeitsumsatz gesteigert werden. Er macht zwischen 20-40
% des Gesamtenergieverbrauches aus - der genaue Anteil liegt in unserer Hand.(4.) |
Vererbung:Wissenschaftliche
Studien haben gezeigt, daß Übergewicht mindestens zu einem Drittel
(30-40 %) durch die Gene (Erbanlagen) eines Menschen verursacht wird. So wird
beispielsweise der Grundumsatz zu einem gewissen Grad erblich festgelegt. Deswegen
ist auch zu erklären, wenn Menschen bei gleicher Kalorienzufuhr völlig
unterschiedlich mit ihrem Gewicht reagieren können (7).
Daneben gibt es Hinweise,
wie die Erbfaktoren auch unser Eßverhalten mitbestimmen können. Nach
dieser sogenannten "Set point-Theorie" steuert der menschliche Organismus immer
wieder auf sein individuelles Gewicht hin. Manchmal liegt dieses Gewicht etwas
über, manchmal etwas unter dem sogenannten Idealgewicht (19).
Nur leider führt übermäßiges Essen in
der Kindheit zur Bildung einer größeren Zahl von Fettzellen und somit
zu einem höheren Set point, der das Körpergewicht später reguliert
(18).
Eine falsche Schlußfolgerung aus diesen Erkenntnissen wäre nun, Übergewicht
als Schicksal zu bezeichnen, da die Erbanlagen ja vorgegeben sind und nicht verändert
werden können (7).
Doch welche Rolle auch immer die Gene spielen, nicht das Übergewicht
an sich wird vererbt, sondern die Veranlagung dafür (15).
Dies ist unter anderem daran zu erkennen, daß sich die Erbanlagen der Mitteleuropäer
in den letzten 100 Jahren mit Sicherheit nicht verändert haben. Dennoch ist
es in Mitteleuropa zu einer rapiden Zunahme des Übergewichtsproblems gekommen
(7).
Verändertes
ErnährungsverhaltenIn
den letzten 100 Jahren haben sich die Ernährungsgewohnheiten vor allem in
den entwickelten Industrieländern grundlegend verändert. Diese Veränderungen
stehen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen in einem direkten Zusammenhang mit
der Zunahme der Übergewichtsproblematik in diesen Ländern. So bestand
die Nahrung noch um 1900 in Deutschland aus 60-70 % Kohlenhydraten und 20-25
% Fett. Heute dagegen wird viel mehr Fett verzehrt. So stammen ca. 40-45 % der
gesamten Nahrungsenergie aus Fett und dies überwiegend aus Fett tierischer
Herkunft. Außerdem besteht heutzutage der Kohlenhydratanteil, der ebenfalls
zwischen 40-45 % liegt, zunehmend aus minderwertigen (ohne Vitamine und
Mineralstoffen) Kohlenhydrate wie z.B. Industriezucker und nicht wie früher
ausschließlich aus Kartoffeln und Getreideprodukten. Weiterhin war der
Anteil des Arbeitsumsatzes am menschlichen Energiehaushalt um die Jahrhundertwende
größer als heute. Außerdem nehmen sich heute viele Menschen kaum
noch richtig Zeit für das Essen, es muß alles schnell gehen, was den
Erfolg von fett-und kalorienreichem Fast-Food erklärt (7).
Die nachfolgenden Grafiken sollen das veränderte Ernährungsverhalten
der letzten 100 Jahre verdeutlichen. Die
Zusammensetzung der Nahrung um 1900 
Diagramm in Anlehnung an Hauner,
Dagmar und Hans Hauner: Leichter durchs Leben; Stuttgart: Georg Thieme Verlag,
1996 Die
Zusammensetzung der Nahrung heute 
Diagramm
in Anlehnung an Hauner, Dagmar und Hans Hauner: Leichter durchs Leben; Stuttgart:
Georg Thieme Verlag, 1996 Die
Zusammensetzung der Nahrung bie idealer Ernährung siehe auch
die Ernährungspyramide 
Familie
und UmweltEs
existieren unzählige zum Teil auch widersprüchliche wissenschaftliche
Studien, wie die äußeren Einflüsse durch Familie und Umwelt die
Entstehung von Übergewicht beeinflussen. Insbesondere über die Frage
in welchen Gesellschaftsschichten Übergewicht häufiger vorkommt gibt
es recht unterschiedliche Meinungen. Unbestritten ist dabei, daß Übergewicht
in niedrigeren sozialen Schichten häufiger vorkommt (3).
Auch die Frage wie viele Kinder von übergewichtigen Eltern selbst übergewichtig
sind, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Man vermutet, daß bis zu
80 % der Kinder adipöser Eltern auch übergewichtig werden ( 8).
Was auch nicht verwundert, wenn man davon ausgeht, daß in der Regel die
Kinder die Ernährungsweise ihrer Eltern übernehmen (5).
Weitere wichtige Aspekte, wie die Entstehung von Übergewicht durch äußere
Einflüsse begünstigt werden kann, sind: -
Viele
Großstädte, aber auch zunehmend kleinere Städte, legen besonderen
Wert darauf, eine autofreundliche Stadt zu sein, d.h Geld und Platz für
Spielplätze, Sportstätten, Schwimmbäder u.s.w. sind nicht vorhanden.
Das heißt wiederum, die Kinder sind in die eigenen vier Wände verbannt
und sitzen den ganzen Tag vor dem Fernseher bzw. vor Computerspielen. Dieser erzwungene
Bewegungsmangel begünstigt natürlich die Entstehung von Übergewicht
und im übrigen auch von Aggressionen und Gewalt. -
Viele
Menschen sind entwurzelter und isolierter als früher, dadurch suchen viele
im Essen Ersatzbefriedigung und Trost, wodurch in der Regel mehr Kalorien als
notwendig aufgenommen werden. -
Bei
Ärger, Streit, Langeweile oder in Streßsituationen neigen viele Menschen
dazu, diese unangenehmen Situationen durch Nahrungsaufnahme zu kompensieren; auch
hier dient Essen als Ersatzbefriedigung und kann so zu Übergewicht führen.
Zu dieser Kategorie zählt auch der typische Fernsehesser, der ständig
etwas zum Knabbern beim Fernsehen braucht.
EßstörungenIn
den letzten 30 Jahren ist nicht zuletzt wegen des übertriebenen Schlankheitsideals,
ein sprunghafter Anstieg von Eßverhaltensstörungen in den Bevölkerungen
der entwickelten Industrienationen zu erkennen. Als wichtigste Störungen
wären an dieser Stelle zu nennen: - Magersucht
(Anorexie) und Eß-Brech-Sucht ( Bulemie)
- gezügeltes
Eßverhalten
- 'Eßanfälle'
(Binge Eating)
- Prämenstruelles
Syndrom
Magersucht
und Eß-Brech-Sucht Die
beiden Eßstörungen mit den größten Zunahmeraten in
den letzten Jahren sind Magersucht (Anorexie) und die Eß-Brech-Sucht (Bulemie)(14).
Beide Krankheiten sind verwandte Störungen und können ineinander übergehen.
Kennzeichnend für diese beiden Arten von Eßstörungen ist der zwanghafte
Wahn möglichst wenig zu essen, sowie die aufgenommene Nahrung so rasch wie
möglich wieder los zu werden. Dies geschieht durch erzwungenes Erbrechen
und häufig durch die Einnahme großer Mengen von Abführmittel.
Die gesundheitlichen Folgen sind chronischer Mineralstoffmangel, Magengeschwüre,
Entzündungen der Speiseröhre u.a. und können lebensbedrohliche
Ausmaße annehmen (7).
Der wesentliche Unterschied beider Krankheiten liegt darin, daß bei einer
Anorexie ein ausgeprägtes Untergewicht vorliegt, wohingegen Bulemie auch
bei Übergewichtigen auftritt (11)
Auslöser dieser Eßverhaltensstörungen sind oftmals ein gezügeltes
Eßverhalten, die Ursachen allerdings sind psychologisch bedingt. Deswegen
ist eine Behandlung dieser Krankheiten nur durch psychologische bzw. verhaltenstherapeutische
Betreuung möglich, und in besonders schweren Fällen muß die Behandlung
in Kliniken erfolgen (7).
Gezügeltes
Eßverhalten: Charakteristisch
an dieser Eßverhaltensstörung ist, daß der 'gezügelte Esser'
ständig in A ngst lebt, zu dick zu sein bzw. Angst
hat, nur ein paar Gramm zuzunehmen. Dieser Personenkreis neigt auch dazu, regelmäßig
strenge Diäten einzuhalten. Diese strenge Selbstkontrolle kann auf Dauer
kaum durchgehalten werden und kann der Nährboden zur Entwicklung von Bulemie
oder Anorexie sein. Gelingt es allerdings, diese rigide Selbstkontrolle flexibel
zu handhaben, indem z.B. Lieblingsspeisen berücksichtigt werden und kleine
Mengen an Süßigkeiten erlaubt sind, dann läßt sich diese
Gefahr verringern. |
Eßanfälle
(Binge Eating) Bis zu
30 Prozent aller Übergewichtigen, aber auch Schlanke, die sich für zu
dick halten, leiden unter Eßanfällen dem sogenannten 'Binge Eating',
bei denen riesige Kalorienmengen bis 10000 kcal und mehr verschlungen werden.
Nach Beendigung solcher Eßattacken reagieren die Betroffenen mit schlechtem
Gewissen, Schuldgefühlen und Depressionen, weswegen viele wieder eine strenge
Diät einhalten, um ihr 'dummes Verhalten' wiedergutzumachen. Dadurch ist
zu erklären warum ein Binge Eating oftmals zum ersten Mal während einer
Schlankheitsdiät passiert; denn im Rahmen einer Diät sind nur wenige
Lebensmittel, meist in kleinen Mengen erlaubt, vor allem aber sind meistens Lieblingsspeisen
verboten. Dies kann zu gewissen Entzugserscheinungen führen, und die Verlockung
des 'Verbotenen' wird immer übermächtiger, und wenn schließlich
alle Kontrollmechanismen zusammenbrechen, kann es zu einem unkontrollierten Eßanfall
kommen. Danach sind die Betroffenen wieder von Schuldgefühlen und Depressionen
befallen, und es wird wieder eine rigide Diät angefangen, somit nimmt ein
Teufelskreis seinen Lauf (7).
An dieser Stelle muß aber erwähnt werden, daß nicht jeder spontane
Abbruch einer Diät mit einem Binge Eating zu vergleichen ist. Ein unkontrollierter
Eßanfall ist nämlich durch ein nicht mehr vorhandenes Sättigungsgefühl
gekennzeichnet, wodurch sich die Unmengen an verzehrten Kalorien erklären
lassen (11).
Diesem betroffenen Personenkreis, und auch nur dann, wenn Übergewicht vorliegt,
ist zu raten, keine allzu strengen Diäten durchzuführen, und außerdem
sollten in gewissen Maßen während einer Diät Lieblingsspeisen
erlaubt sein (7).
Prämenstruelles Syndrom Diese
Eßstörung wird durch menstruationsbedingte Veränderungen des Hormonhaushalts
hervorgerufen, auf die viele Frauen vor Beginn der Monatsblutung mit mehr oder
weniger starken Stimmungsschwankungen reagieren und die häufig mit Depressionen
verbunden sind. Manche Frauen haben dann Heißhungergefühle und
machen die Erfahrung, daß der Verzehr von Süßigkeiten ihre Stimmung
hebt. Diese Heißhungerattacken können so weit führen, daß
dabei zu viele Kalorien verzehrt werden, wodurch Übergewicht entstehen kann
bzw. ein bestehendes Gewichtsproblem verschärft wird. Die Frauen, die
von dem prämenstruellen Syndrom betroffen sind, sollten versuchen, durch
regelmäßige kleinere Mahlzeiten diesen Heißhungerattacken vorzubeugen.
Wenn der Heißhunger dann doch kommt, sollte besser Obst oder kalorienärmere
Kohlenhydrate ( z.B Brotwaren, Reis, Nudel, Kartoffeln) verzehrt werden (7)
. Bewegungsmangel In
den letzten 20-30 Jahren ist der Anteil der Energie, die wir für Bewegung
aufbringen (= Arbeitsumsatz), um durchschnittlich 200 bis 400 kcal zurückgegangen.
Leider führt aber gerade diese fehlende körperliche Aktivität in
zweifacher Hinsicht zu einer positiven Energiebilanz, d.h es werden mehr Kalorien
aufgenommen, als man tatsächlich verbraucht. Erstens werden durch den Bewegungsmangel
weniger Kalorien vom Körper verbrannt. Zweitens, und dies ist auf Dauer noch
gravierender, baut der Körper bei zu wenig körperlicher Aktivität
Muskelmasse ab, was zum einen die Bildung von Fettzellen fördert und zum
anderen den Grundumsatz senkt, was wiederum die Entstehung von Übergewicht
begünstigt. So ist der Bewegungsmangel einer der Hauptursachen
für die Zunahme von Übergewicht in den westlichen Industrienationen,
und dies gilt insbesondere für die steigende Zahl von übergewichtigen
Kindern in Mitteleuropa und den USA. Denn selbst die Kinder bewegen sich in
unserer modernen Gesellschaft immer weniger. Statt Versteckspielen, Seilhüpfen
oder Rollschuhlaufen verbringen die Kids von heute den Tag lieber vor dem Fernseher
bzw. vor dem Computer. In England beispielsweise schaut ein Kind durchschnittlich
26 Stunden pro Woche fern. Weil heutzutage glücklicherweise Maschinen
zum größten Teil die körperlich anstrengende Arbeit übernehmen
und somit den Arbeitsalltag erleichtern, liegt es in unserer Hand, wie wir uns
in der Freizeit körperlich fit halten, d.h. Sport treiben (7).(Körperliche
Bewegung) (siehe auch der Kalorienverbrauch bei bestimmten
Sportarten)
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dieser Seite © 01.12.1999, Carsten Sellgrad Letzte Aktualisierung am: 20.10.2021 | | |